Feuerwehr-Historie

Historischer Rückblick

Gerold Jouaux

Auszug aus der Festschrift zum 150-jährigen Jubiläum 2010

Im 19. Jahrhundert vernichteten mehrere große Brände ganze Häuserzeilen in der Stadt Gau-Algesheim. War es zur damaligen Zeit üblich, dass die Stadt Feuerspritze und Ledereimer vorhalten und alle Bürger Hilfe leisten mussten, so geschah diese doch unkoordiniert und oftmals kopflos. Dies veranlasste beherzte Männer, auf freiwilliger Basis, ein „Feuerwehrcorps“ zu bilden.

Eine Übung der Mainzer Feuerwehr in Ingelheim, der auch interessierte Gau-Algesheimer beiwohnten, brachte den Durchbruch. Es war allen klar, dass nur durch Geschicklichkeit, Übung und Erfahrung den in Not geratenen Mitmenschen intensiv geholfen werden konnte.

Mit Schreiben vom 22. Juni 1860 teilte das „Großherzogliche Kreisamt“ in Bingen  der „Großherzoglichen Bürgermeisterei“ Gau-Algesheim mit:
„Die uns mit mündlichem Berichte vorgelegten Statuten einer in Gau-Algesheim zu bildenden Feuerwehr, empfangen Sie genehmigt zurück. Es ist uns recht erfreulich gewesen zu ersehen, daß die Stadt Gau-Algesheim, die erste Gemeinde im Kreise Bingen ist, die diesem Gegenstand eine gebührende Würdigung hat zu Theil werden lassen und wir genehmigen daher auch gern die pecuniären Opfer, welche die Stadt zu diesem Zweck bringen will.“

Weiter wird in diesem Schreiben ausgeführt, dass dadurch die Verpflichtung zur Mithilfe aller Einwohner bei Bränden nicht aufgehoben wird.

Bereits am 3. Juli 1860 genehmigte das Kreisamt die vom Stadtrat vorgeschlagenen Mitglieder der Feuerwehrführung. Es waren dies Johann Baptist Mayer, als Branddirektor, Georg Bischel, als Oberbrandmeister, sowie Philipp Kraus und Josef Jouaux, als Brandmeister. Branddirektor J.B. Mayer leitete die Wehr von 1860 – 1863.

Ein großes Problem in dieser Zeit war die Sorge nach dem erforderlichen Löschwasser im Falle eines Brandes. So war das Erstellen von Löschwassersammelstellen eine Hauptaufgabe. Dieses Problem löste sich erst ab 1890, als in Gau-Algesheim ein Wasserleitungsnetz errichtet wurde.

Durch bessere Ausstattung und gezielte Ausbildung konnten Brände besser bekämpft werden. Im Laufe der Jahre brachte der technische Fortschritt auch Erleichterungen in der Löschtechnik mit sich. Zur damaligen Zeit waren die Haupteinsätze, Brände, Unwetter, sowie dadurch ausgelöste Hochwasser.

Nach der Gründung der Freiwilligen Feuerwehr stieg die Zahl der Feuerwehrangehörigen. Um im Notfall nicht nur genügend Kräfte, sondern auch ausreichend Löschgeräte zu haben wurde die Ausrüstung der Wehr immer weiter vervollständigt. Zur angemessenen Unterbringung ist im Jahre 1896 ein „Spritzenhaus“ in der Unteren Bein gebaut worden. Dies war das Domizil der Feuerwehr bis 1978. In diesem Jahr konnte das lang ersehnte neue Gerätehaus in der Wüstenrotstraße bezogen werden. Die Stadt Gau-Algesheim stellte das Grundstück zur Verfügung. Bauherr war die Verbandsgemeinde Gau-Algesheim, mit tatkräftiger Unterstützung der Feuerwehrleute. Die Einweihung, mit Teilnahme des damaligen Innenministers Böckmann, war ein Meilenstein für die Wehr.

Die Feuerwehr war auch im kulturellen Bereich tätig. So berichtete die Presse im Jahre 1870 von einem Konzert des Feuerwehr-Gesangvereines. Ein jährlicher Feuerwehrball fand fast 100 Jahre lang im November um Martini statt. Aus dem Gau-Algesheimer Vereinsleben war und ist sie nicht hinwegzudenken. Bei vielfältigen Vereinsaktivitäten wird die Mithilfe der Feuerwehrangehörigen gerne in Anspruch genommen. Zur Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls ist sie auch immer zur Mithilfe bereit.

Im 1. Weltkrieg ist Gau-Algesheim zum Glück nicht in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Bevölkerung wurde durch die Behörden darüber unterrichtet, wie man sich bei Fliegerangriffen zu verhalten habe. Auch Mitglieder der Feuerwehr kamen zu den Soldaten. Ein Kamerad, Vater von vier Kindern, ist in Russland gefallen.

Schwierig war die Zeit von 1933 – 1945 auch für die Gau-Algesheimer Feuerwehr. Die letzte Feuerwehrversammlung unter Leitung eines von den Feuerwehrkameraden gewählten Kommandanten fand am 24. Mai 1933 statt. Aufgrund eines Schreibens der Nationalsozialistischen-Deutschen-Arbeiter-Partei (NSDAP) hatte das Kommando seine Ämter niedergelegt. Der Ortsgruppenleiter der NSDAP hatte für den 16. Juni 1933 zu einer außerordentlichen Generalversammlung eingeladen. Er benannte die Namen für das neue Kommando und war der Ansicht, dass alle Kameraden damit einverstanden sind. Das Protokollbuch verzeichnet nun eine „lebhafte Debatte“. Der Landesverband Hess. Freiwilliger Feuerwehren bestätigte diese Ernennungen und führt aus; „An und für sich sollte die NSDAP mit 51 % im Kommando vertreten sein, was aber nach Lage der Dinge nicht möglich ist“.   Mit dieser Versammlung war die sog. „Gleichschaltung“ der Feuerwehr vollzogen. Der Ortsgruppenleiter teilte noch mit, dass Austritte aus der Wehr aus diesem Grunde als politische Sabotage betrachtet und demgemäß geahndet werden. Trotz dieser Androhung hatten eine Reihe von Kameraden diesen Schritt gewagt.  Der bisherige Kommandant Wilhelm Hattemer hatte 11 Jahre die Verantwortung für die Wehr getragen. Im Sommer 1933 wurde er im KZ Osthofen inhaftiert.

Seit 1928 hatten Mitglieder der Freiw. Feuerwehr bei Prozessionen der Kath. Kirchengemeinde den Baldachin getragen. Die NS-Machthaber hatten 1938 das Tragen von Uniformen bei religiösen Veranstaltungen verboten. Bis 1940 konnte die Feuerwehr diese Tradition bewahren, sodann war dies nicht mehr möglich. Nach dem Kriege (1946) lebte sie wieder, bis in die Gegenwart, auf.

Um die Gebäude im Ortsteil Laurenziberg bei Bränden besser schützen zu können wurde 1942 durch die Stadt Gau-Algesheim ein leichtes Löschgruppenfahrzeug mit trag- und fahrbarer Kraftspritze angeschafft.

Im 2. Weltkrieg war die Feuerwehr stark gefordert. Die Gau-Algesheimer Wehr gehörte zur Feuerwehrbereitschaft Bingen. Nach Fliegerangriffen auf die Städte Bingen, Mainz, Koblenz und Frankfurt wurde sie jeweils dort zur Brandbekämpfung eingesetzt. Auch die Feuerwehr hatte im Krieg ihren Blutzoll zu entrichten. So sind sechs Kameraden an den verschiedenen Kriegsschauplätzen gefallen.

Die Nachkriegszeit war für die Bevölkerung wirtschaftlich sehr schwierig. Erst nach und nach wurden die Soldaten aus der Kriegsgefangenschaft entlassen. Langsam begann, oftmals mit einfachen Mitteln, der Wiederaufbau. Davon wurde auch die Feuerwehr nicht verschont. Materialien waren defekt oder oftmals nicht mehr vorhanden. Die Wehr bestand nur noch aus 15 aktiven Mitgliedern. Zum neuen Kommandanten wurde Alois Elbert (1945 – 1963) gewählt. Das Löschgruppenfahrzeug hatten die damaligen Besatzungsmachthaber beschlagnahmt. Zur Aufrechterhaltung des Brandschutzes bauten die Feuerwehrleute einen Tragkraftspritzen-Anhänger. Bei Bränden wurde dieser zum Einsatzort von Hand gezogen. In späteren Jahren erfolgte die Fortbewegung durch Traktoren. Ein Problem war die Alarmierung. Die Sirene durfte nur nach vorheriger Genehmigung durch den franz. Stadtkommandanten benutzt werden. Da sich Einsätze nicht frühzeitig ankündigen, erfolgte die Alarmierung durch Hornisten und die einzig verbliebene kleine Glocke im Turm der Kath. Pfarrkirche.

Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung ging auch die techn. Ausstattung der Feuerwehr einher. Entsprechende Geräte und Fahrzeuge wurden beschafft. Die Einsatzschwerpunkte verlagerten sich von Bränden auf die techn. Hilfe. Die Motorisierung im Straßenverkehr hat die Hilfe bei Unfällen zur Folge. Oftmals verlangen diese den Einsatzkräften viel ab.

Die Feuerwehr ist im Vereinsleben der Stadt tief verwurzelt. So wurde 1951 ein Spielmannszug gegründet. Leider hatte er nur einige Jahre Bestand.

Unter Federführung von Alois Elbert wurde im Jahre 1980 eine Jugendgruppe der Feuerwehr gegründet.

Einen Einschnitt in die Organisationsstruktur der Feuerwehren brachte die Verwaltungsreform im Jahre 1975. Die Aufgaben des Brandschutzes und der Technischen Hilfe wurden von den Ortsgemeinden auf die Verbandsgemeinden übertragen. Die acht Freiwilligen Feuerwehren innerhalb der Verbandsgemeinde Gau-Algesheim wurden dem Verbandsbürgermeister unterstellt. Solche tiefgreifenden organisatorischen Änderungen bewirken auch Ängste. So befürchtete man, besonders in kleinen Gemeinden, die Auflösung der Feuerwehr. Die damals Verantwortlichen gingen sehr sensibel mit dieser Angelegenheit um. Es ging darum, die einzelnen Wehren zu erhalten und durch gute Ausbildung und Zusammenarbeit ein vertrauensvolles Klima untereinander zu schaffen. Dies ist vortrefflich gelungen. Großen Anteil daran hatten die Verantwortlichen der Verbandsgemeinde, die Bürgermeister Hessel, Pfaender und Linck, von der Verwaltung die Herren Oberamtsräte Hinkel und Wahlen, sowie die bisherigen vier Wehrleiter der Verbandsgemeindefeuerwehr, Friedel Elbert, Gau-Algesheim, Dieter Bungert, Ockenheim, Harald Schmitt, Schwabenheim und Wolfgang Mauer, Gau-Algesheim.

Im Laufe der Jahre wurden in allen Ortsgemeinden neue Gerätehäuser gebaut und die technische Ausrüstung auf den neuesten Stand gebracht.

In den 150 Jahren ihres Bestehens hatte die Gau-Algesheimer Feuerwehr 17 Kommandanten, bzw. Wehrleiter.

Möge die Freiwillige Feuerwehr Gau-Algesheim, getreu ihrem Wahlspruch:

„Gott zur Ehr, dem Nächsten zur Wehr“

auch in Zukunft ihren Dienst für die Allgemeinheit leisten können.

 

 

 

 

Literaturnachweis:

Alois Elbert: „Die Geschichte der Feuerwehr Gau-Algesheim“, Beiträge zur Geschichte des Gau-Algesheimer Raumes, Band 14/1984

Förderverein der Freiwilligen Feuerwehr Gau-Algesheim 1860e.V.

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